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2. Doch unser Auge soll nicht zur Ruhe kommen. Es verfolgt
die kleinen Dampfboote, die unterhalb der Rheinbrücke dem lebhaften
Personenverkehr zwischen den beiden Ufern dienen. Oder es ergötzt
sich an einem der flinken, zierlichen Bugsierdampfer, der mit seinem
hoch aus dem Wasser emporragenden langen Dreimaster im Schlepp-
tau aussieht wie eine Nußschale neben einem großen Fischtopf. Oder
es betrachtet einen größeren, grün gestrichenen Schraubendampfer, der
eine ganze Flottille kleiner Backstein- und Kiesschiffe stromauf bringt.
Oder es blickt einem vom rechten Ufer abfahrenden Personendampfer
nach, der mit fröhlichen Menschen besetzt ist und eben seine Reise
rheinabwärts nach Rotterdam antritt.
Unterhalb der Rheinbrücke dehnt sich der Rheinkai mit seinen
Lagerschuppen und Werfthallen aus. Schiffe in großer Anzahl sind
dort im Aus- und Einladen begriffen. Dahin begeben wir uns. „Vor-
sicht! Zurücktreten!" ruft uns da plötzlich eine barsche Stimme zu.
Dicht über unserem Kopfe, so scheint es uns — wir bücken uns un-
willkürlich — schweben zwei große Fässer vorüber. Es sind Palmöl-
fässer, zusammen etwa 30 Zentner schwer, die an dem langen Arm
des stockwerkhoch auf seinem eisernen Bock sich drehenden elektrischen
Krans aus dem Schiff geschwungen und an der Tür der Werfthalle
von den Arbeitern in Empfang genommen werden. Ein zweiter Kran
ist beschäftigt, aus dem gleichen Schiffe Roheisen auszuladen. Die
Eisenbahnwagen stehen schon bereit, die es aufnehmen und auf dem
Schienenweg weiterbringen sollen. Dieser zweite Kran hebt seine vierzig
Zentner mit einem Hub aus dem Schiff, und mit fünf Hub ist der
Eisenbahnwagen beladen. Bis heute abend wird der Kran als seine
Tagesarbeit 4—5000 Zentner geleistet und 20—25 Eisenbahnwagen
beladen haben, jeden zu 200 Zentner.
3. Da ist auch schon der erste Kran, der uns vorhin mit seinen
Palmölfässern so sehr erschreckte, mit diesen fertig geworden. Schmalz-
fässer aus Chikago sind an der Reihe; immer vier auf einmal fliegen
sie aus dem Schiff empor und werden von den Arbeitern auf die Wage
in der Werfthalle, dann auf ihren Lagerplatz gerollt. Wir blicken
durch die offenstehende Tür in die Halle und treten auf die freund-
liche Aufforderung des Werfthallenverwalters ein. Was liegt da nicht
alles drin aufgehäuft in Kisten, Fässern, Ballen, Säcken, Kübeln und
sonstigen Verpackungen! Die Palmölfässer sahen wir beim Ausladen
schon. Jene Fässer dort enthalten Kokosöl. Es wird Seife und Butter
daraus gemacht. In diesen Kübeln hier ist Schmalz aus Chikago,
in jenen Fässern gesalzenes Schweinefleisch, ebenfalls aus Chikago.
Die hohen Lagen dieser Säcke da enthalten getrocknete Biertreber, und
ihnen gegenüber in sauberen Kisten lagern Quakeroats und daneben ge-
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386
234. In Nacht und Eis.
1. Ein Abenteuer mit einem Bären.
Wir brachen gestern morgen um 7 Uhr auf und kamen auf Eis,
das so schlecht wie möglich war. Es war, als ob ein Riese ungeheure
Blöcke kopfüber, kopfunter hinabgefchleudert und dazwischen nassen Schnee
mit Wasser ausgestreut habe, in dem wir bis über die Knie einsanken.
Auch zahlreiche tiefe Tümpel befanden sich zwischen den Blöcken. Es
war eine Quälerei über Berg und Tal, auf und nieder über Block hinter
Block, über Rücken hinter Rücken, mit tiefen Spalten dazwischen; keine
freie Stelle groß genug, um nur das Zelt aufzuschlagen: so ging es die
ganze Zeit weiter. Um unser Unglück zu vollenden, herrschte ein Nebel,
daß wir keine hundert Meter weit sehen konnten.
Nach einem erschöpfenden Marsche erreichten wir eine Rinne, über
die wir mit den Kajaks hinüberfahren mußten. Nachdem wir den Rand
der Rinne von dem jungen und dem Schlammeis frei gemacht hatten, zog
ich meinen Schlitten an den Rand, wo ich ihn festhielt, damit er nicht
Hineingleiten könne.
Plötzlich wurde es hinter mir lebendig, und Johansen, der sich gerade
umgedreht hatte, um seinen Schlitten zu dem meinigen zu ziehen, schrie:
„Schnell die Büchse!" Ich breche mich um und erblicke einen ungeheuren
Bären, der sich gerade auf Johansen wirft, der auf dem Rücken lag. Ich
greife nach meiner Büchse, die — im Futteral — auf dem Verdeck lag,
allein in demselben Augenblick gleitet das Kajak ins Wasser. Mein erster
Gedanke ist, mich ebenfalls ins Wasser und über das Kajak zu werfen
und von dort zu schießen, ich sehe aber ein, wie gefährlich das sein würde.
Ich beginne daher, das Kajak mit seiner schweren Ladung so rasch wie
möglich auf den hohen Rand des Eises zurückzuholen und liege dabei
ziehend und zerrend auf den Knien, um die Büchse zu fassen. Ich habe
keine Zeit, mich umzublicken und zu sehen, was hinter mir vorgeht, als
ich Johansen plötzlich in aller Ruhe hinter mir sagen höre: „Schieß schnell,
wenn es nicht zu spät sein soll!"
Wie ich mich beeilte! Endlich hatte ich das Schaftende erfaßt, zog
die Büchse heraus, drehte mich in sitzender Stellung herum und spannte
im Nu den Hahn des Schrotlaufes. Der Bär stand keine zwei Meter
entfernt, bereit, meinem Hunde Kaiphas ein Ende zu machen. Es war keine
Zeit zu verlieren. Ich konnte nicht erst den Hahn des andern Laufes spannen,
ich jagte dem Bären eine Schrotladnng hinter das Ohr und streckte ihn
tot zwischen uns nieder.
Der Bär mußte unserer Fährte wie eine Katze gefolgt sein und sich,
von den Eisblöcken verdeckt, herangeschlichen haben, während wir das Eis
in der. Rinne entfernt und ihm den Rücken zugedreht hatten. An der
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
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323
den Wasserfällen und im Wind verloren gehen, ins Joch der modernen
Großindustrie zu spannen. Hie und da beginnt man ja schon, Wasser-
kräfte zu nützen, und man hat berechnet, daß man mit der in den Wasser-
fällen Amerikas ruhenden Kraft alle Maschinen der Vereinigten Staaten
treiben könnte, ohne für einen Pfennig Kohle zu verbrennen. Hier liegen
noch ungeheuere Schätze, die dem Nationalwohlstande zugute kommen
könnten. Vielleicht wird man es noch einmal lernen, die Kraft des Windes
besser auszunützen, der ja zuweilen mit einem Druck von zehn Zentnern
ans den Quadratmeter Fläche wirkt. Gelänge es aber, das Sonnenfeuer
selbst zum Heizen der Kessel zu verwenden, wie es in der Tat seit einigen
Jahren auf einer Farm in Süd-Passadena geschieht, wo die Sonnen-
strahlen mit Hilfe eines Hohlspiegels gesammelt werden und auf einen
Kessel fallen, dessen Wasser sie erhitzen, — so wäre das Ideal der Aus-
nützung der Sonnenkraft erreicht. Dem Menschen ist nichts unmöglich,
und so wird er einst die Rosse des Sonnenwagens vor seine Maschinen
spannen und einen mächtigen Stern zu seinem Sklaven machen.
Bruno Bürgel.
213. Rätsel.
Es steht ein groß geräumig Haus
auf unsichtbaren Gäulen.
Ls mißt's und geht's kein Wandrer
aus,
und keiner darf drin weilen.
Aach einem unbegriffnen plan
ist es mit Aunst gezimmert.
Ls steckt sich selbst die Lampe
an,
die es mit Pracht durchschimmert.
Ls hat ein Dach, kristallenrein,
von einem einigen Ldelstein;
doch noch kein Auge schaute
den Meister, der es baute.
Friedrich von Schiller.
214. Hildesheim.
1. Der Ruhm Hildesheims ist besonders durch den Künstlerbischof
Bernward begründet worden, der um das Jahr 993 an die Spitze des
Bistums trat. Das Stift hatte unter den letzten schwachen Karolingern
und unter den ersten sächsischen Kaisern schwer von Normannen und
Ungarn zu leiden gehabt. Mord und Verwüstung waren über die geweihte
Stätte gekommen. Erst unter Otto I. begann der Kirchensprengel wieder
aufzuatmen. Alle andern sächsischen Kaiser sehen wir in Hildesheim weilen,
ja Otto Iii. war in der Domschule Bernwards Schüler. Dieser Bischof
hat vornehmlich dazu beigetragen, die Spuren der verderblichen Zeit aus-
zulöschen. Er hat in dreißigjähriger, unermüdlicher Tätigkeit Hildesheim
so weit emporgehoben, daß damals die ganze Christenheit von dem Ruhme
, 21*
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Extrahierte Personennamen: Bruno_Bürgel Friedrich_von_Schiller Friedrich Bernward Otto_I. Otto
388
2. Die letzte Überwinterung.
Endlich am 7. September machten wir uns an die Arbeit, eine
Hütte zu bauen. Wir hatten eine gute Stelle dazu ausgewählt. So gut
wir konnten, brachen wir in dem Gerölle Steine los, schleppten sie zu-
sammen, hoben den Grund aus und bauten die Mauern auf. Werkzeuge
hatten wir nicht viel; was wir dazu am meisten verwendeten, waren unsre
beiden Fäuste. Die abgeschnittene Schlittenkufe diente als Spitzaxt, um
die sestgefrorenen Steine loszulösen, und wenn wir mit den Händen es
nicht fertig brachten, den Grund an unsrer Baustelle aufzugraben, so
benutzten wir einen Schneeschuhstock mit eiserner Zwinge dazu. Aus dem
Schulterblatt eines Walrosses, das an ein abgebrochenes Stück von einem
Schneeschuhstock gebunden war, stellten wir uns einen Spaten, und aus
einem an einen Querträger des Schlittens befestigten Walroßhauer eine
Hacke her. Es waren zerbrechliche Dinger, wenn man damit arbeiten
wollte; aber mit Geduld brachten wir es doch fertig, und ganz langsam
erhoben sich feste Steinmauern mit Moos und Erde dazwischen. Nach
einwöchiger Arbeit waren die Mauern unserer Hütte vollendet. Sie waren
nicht hoch, kaum ein Meter über dem Erdboden, aber wir hatten ebenso
tief in den Grund hineingegraben, so daß die Hütte nach unsrer Berech-
nung hoch genug werden würde, um darin aufrecht stehen zu können.
Nun handelte es sich darum, das Dach herzustellen; dies war nicht so
leicht. Das einzige Material, das wir zu diesem Zwecke hatten, waren
ein von uns gefundener Baumstamm und die Walroßhäute.
Endlich am Abend des 28. September zogen wir in unsere neue
Hütte ein, doch war die erste Nacht für uns kalt. Bis jetzt hatten wir
während der ganzen Zeit in einem Sacke geschlafen. Jetzt hielten wir es
aber nicht länger für notwendig, in einem Sacke zu schlafen, da wir die
Hütte durch Brennen mehrerer Tranlampen so warm machen wollten,
daß jeder es sehr gut auf seinem eigenen Lager mit einer wollenen Decke
über sich aushalten könnte; wir hatten daher den Sack auseinandergetrennt,
Lampen wurden in der Weise hergestellt, daß wir von einigen Neusilber-
blechen die Ränder in die Höhe bogen, diese Behälter mit zerquetschtem
Speck füllten und als Docht Stücke Zeug von den Bandagen aus unserer
Apotheke verwendeten. Die Lampen brannten vorzüglich und gaben auch
ein so gutes Licht, daß es unserer Meinung nach ganz behaglich aussah;
allein sie reichten nicht aus, um unsre ziemlich undichte Hütte zu erwärmen,
und so lagen wir denn die ganze Nacht und zitterten vor Kälte.
Am nächsten Morgen schmeckte uns das Frühstück ausgezeichnet, und
es ist unglaublich, welche Mengen heißer Bärenbouillon wir genossen, um
wieder etwas Wärme in unsern Körper zu bekommen. Wir beschlossen
sofort, dem Übelstande abzuhelfen, indem wir an der Hinterwand der Hütte
eine Pritsche herstellten, breit genug, um dort nebeneinander liegen zu
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391
Dorf auf hundert Mühlen; dafür ist aber auch sein Brot, das er am
Morgen bekommt, ganz frisch, denn da er sich zur Buhe legte, ist’s
noch Weizen gewesen. Die Eingeborenen gewöhnen sich von Jugend
auf an diesen Lärm, wie der deutsche Müller an das Klappern
seiner Bäder.
3. Eine andere Speise, von welcher in der Bibel die Bede ist,
dürfte dem freundlichen Leser wohl auch interessant sein. Der
Evangelist erzählt uns, daß Johannes der Täufer von Heuschrecken
und wildem Honig gelebt habe. Heuschrecken —- hu! Wer diese
langbeinigen Gesellen schon einmal beobachtet hat, wie sie in Wald
und Wiese so unverschämt herumhüpfen können, den wird’s nicht
sonderlich danach gelüsten, sie zu verspeisen, und er wird ebenso-
wenig begreifen, wie andere Leute so einen Heuschreckenbraten mit
gutem Appetit verzehren können. Dennoch werden sie auch heute
noch im Heiligen Lande gegessen. Der Verfasser hat das bei Gelegen-
heit von Heuschreckenstürmen, die übers Land kamen, selbst gesehen.
Man konnte damals an Johannes den Täufer erinnert werden, welcher
sich von Heuschrecken und wildem Honig nährte; denn die Leute
griffen die gefräßigen Gesellen und vertrieben ihnen alle Freßlust,
indem sie dieselben selbst aßen, — nicht etwa nur, um sich an die-
sen zu rächen, sondern weil ihnen das Heuschreckenfleisch vorzüg-
lich mundete. Drüben, jenseits des Jordans, werden sie in große
Säcke eingefüllt, Füße und Flügel werden ihnen heruntergerissen,
die Eingeweide herausgenommen; dann werden sie auf dem Dache
gedörrt und eingesalzen und endlich gemahlen und zu Brot gebacken.
4. Im Abendlande ist es ziemlich allgemeine Sitte, das Mittag-
essen als Hauptmahlzeit des Tages anzusehen. Der Palästinenser
dagegen hält die heiße Mittagszeit hierzu nicht für geeignet. Der
Abend mit seinen kühlen Winden, die vom Mittelmeer her wehen,
scheint ihm für die Freuden der Tafel viel passender. Daher kommt
es, daß in der Heiligen Schrift niemals von einem Mittagessen, sehr
oft aber von einem „Abendmahl“ die Bede ist.
Ii.
1. Wer zum ersten Male in Jaffa den Strand des Gelobten Landes
betritt, pflegt sich über die Kleidung der einfachen Landleute nicht
wenig zu verwundern. Denn wenn einer in der deutschen Heimat
so auf der Straße herumlaufen wollte, so würde sich der geneigte
Leser wahrscheinlich versucht fühlen, ihn am Hemdzipfel zu fassen,
ihn beiseite zu nehmen und ihm zu sagen: „Höre, guter Freund,
schämst du dich nicht? Komm, geh lieber noch einmal hübsch nach
Hause und zieh dich ordentlich an, bevor du auf der Straße herum-
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392
spazierst, denn du hast von deinem Anzug vergessen: zum ersten
deinen Rock, zum andern deine Hose, zum dritten deine Strümpfe
und Stiefel und zum vierten deinen Kragen und dein Halstuch.“
Die Leute marschieren nämlich dort in bloßen Hemden ganz ungeniert
durch Stadt und Land, wie wenn sich das von selbst verstände. So
einfach mögen sich auch die Jünger des Herrn gekleidet haben, als
sie noch galiläische Fischer waren. Beim Fischfang gürteten sie ihr
Hemd auf, wie das heute noch die Leute tun, um in ihrer Arbeit
ungehindert zu sein.
2. Uber dem Hemd trug und trägt man, wenn man nicht gerade
bei der Arbeit ist oder sich in den Sonntagsstaat werfen will, einen
Mantel. Dieser, in der Bibel gewöhnlich „Oberkleid“ genannt, ist aus
Schaf-, Kamel- oder Ziegenwolle gesponnen oder gewoben. Derselbe
wird meistens frei um die Schultern geschlagen und fällt faltenreich
über den Leib herab. In und bei den Städten liebt man schwarze oder
weiße Mäntel aus Wolle, welche mit farbigen Stickereien kunstvoll
verziert sind. Dieser Mantel, und zwar der erstgenannte, einfachere
ist gemeint, wenn Markus von dem blinden Bartimäus in Jericho er-
zählt: „Er warf sein Kleid von sich, stand auf und kam zu Jesu.“
In einen solchen Mantel pflegte" sich auch Jesus zu hüllen, wenn er im
Freien, etwa in Gethsemane oder am See Genezareth, übernachtete.
3. Statt der Schuhe trug man zu Jesu Zeit »Sandalen. Eine
kältere Zone macht die völlige Bedeckung des Fußes nötig, wiewohl
dadurch dieses schön gebildete Glied des menschlichen Körpers nicht
zur Geltung kommt oder gar gänzlich verunstaltet wird. Nicht so
im Orient. Dort ging man entweder barfuß, oder die Fußsohle wurde
nur durch eine Sandale, d. i. eine untergebundene Ledersohle, unter-
stützt, welche mit mehr oder minder zierlichen Riemen um Fuß und
Knöchel befestigt wurde. Bei dieser Bekleidungsweise wurden die
Füße beim Gehen auf der Straße natürlich bestaubt. Daher wurde
es beim Eintritt in ein Haus, wo ein Gastmahl stattfand, zu einer
Pflicht der Höflichkeit, bevor man die Teppiche betrat, die staubigen
Füße zu waschen, ähnlich wie wir die Hände waschen, wenn wir
von der Straße kommen. In besseren Häusern hielt man hierfür
zierliche Becken, in welchen der Hausherr oder ein Diener dem Gaste
sofort bei seinem Eintritt ein Fußbad anbot. Diese Höflichkeit
durfte der Herr mit Recht erwarten, als er bei dem Pharisäer
Simon zu Gaste war. Darum sagte er auch zu ihm: „Ich bin
gekommen in dein Haus! Du hast mir nicht Wasser gegeben zu
meinen Füßen; — diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzet
und mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet.“ Wo die Sitte befolgt
wurde, da pflegte ein Diener zu kommen und dem Gaste die Riemen
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329
genug gestiegen, so öffnet der „Schmelzer" mit einer eisernen Stange
den mit Lehm verstrichenen Abzngskanal und läßt sie ablaufen. Wie
Wasser rinnt die glühende Masse hervor, wird aber später so hart, daß
sie sich vorzüglich znm Straßenbau eignet. Die ans der Schlacke ge-
formten Steine werden als Pflastersteine weithin verschickt.
Wenn das flüssige Eisen so weit gestiegen ist, daß es mit der Schlacke
ablaufen will, so öffnet man ihm am Grunde des Ofens den Weg. Der
Hochofen wird „abgestochen". Hni, wie fährt der Glntstrom heraus!
Fnnkensprühend wälzt er sich in den Sandrinnen fort, verteilt sich in
den Formen wie das Wasser in den Gräben der Rieselwiesen und steht
endlich rauchend still. Bei Tag und bei Nacht öffnet sich so alle vier
Stunden das Fenertor und speit jedesmal 600 Zentner Roheisen aus.
Aus der Jlseder Hütte sind stets drei Hochöfen in Tätigkeit. Sieben Jahre
muß ein Ofen arbeiten; dann werden seine mürbe gewordenen Wände
abgerissen, und ein neuer wird aus derselben Stelle errichtet.
Als Feuerung für die zahlreichen Maschinen des Hüttenwerks wird
nur Hochofengas verwandt, das man ja reichlich und umsonst hat; es
brennt unter den Kesseln der Dampfmaschinen und treibt auch die Gas-
motoren. Das Elektrizitätswerk liefert Licht und Kraft für die Hütte und
das Walzwerk in Peine.
Wenn das Roheisen erkaltet ist, schlagen es die Arbeiter in Stücke.
Das gelingt ihnen so leicht wie einst dem jungen Siegfried in der Wald-
schmiede, denn es ist spröde wie Glas. Es muß von Kohlenstoff und
Phosphor befreit werden, sonst kann es keine Lasten tragen, kein Schmied
kann's gebrauchen. Man schafft es deshalb nach dem Walzwerk, wo ihm
diese Stoffe entzogen werden.
5. Da gerade ein mit Roheisen beladener Zng, dem man einige
Personenwagen angehängt hat, abgehen soll, so fahren wir mit. Nach
einer Viertelstunde sind wir in Peine. Die hohen Schornsteine zeigen
an, wo das Walzwerk liegt. Es bildet mit seinen vielen Gebäuden eine
kleine Stadt für sich. In seinen Werkstätten werden etwa 2500 Arbeiter
beschäftigt. Wir besuchen zunächst die sogenannte „Thomashütte"; sie
hat ihren Namen von dem Engländer Thomas, weil hier nach seiner Weise
das Roheisen geläutert wird. Dasselbe wird in vier Ösen, die oben im
Gebäude stehen, wieder flüssig gemacht. Zur Aufnahme des geschmolzenen
Eisens hängt neben jedem Ofen in einem Gestell ein birnenförmiges Gefäß
von 3 m Durchmesser, es wird nach seinem Ersinder (Bessemer) Bessemer-
birne genannt. Ein Arbeiter schüttet etwas Kalk in dieselbe, und nun
kann der „Abstich" des Ofens beginnen. Zischend schießt der Glutstrom
durch eine Rinne in die Birne; es saust und braust in ihr, Millionen
glitzernder Metallfunken sprühen empor. Doch dies ist erst das Vorspiel.
Eine Glocke ertönt. Die Luftpumpen im Maschinenhanse setzen sich in
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Extrahierte Personennamen: Siegfried Siegfried Thomas
400
der Reis immer gut gerät. Er pflegt und düngt und bewässert ihn aber auch
mit großartigem Fleiß, mit gewissenhaftester Sorgfalt und nach allen Regeln
der Landwirtschaft. Fleisch darf er eigentlich gar nicht essen, wenigstens nicht,
wenn er Buddhist ist, und das sind immerhin die meisten. Der glaubt an
Seelenwanderung. Wenn er also irgend ein Tier tötet, so muß er immer
denken, daß er die Seele seiner Großmutter oder seines Urgroßvaters, die
in dem Tiere gewohnt haben könnte, obdachlos macht. — Japanische
Arbeiter habe ich kaum etwas anderes essen sehen als ihre Schüssel Reis.
Einst machte ich mit einigen deutschen Damen und Herren einen Ausflug
nach den berühmten Stromschnellen von Araschiyama. Stundenlang
trabte der Jinrickschakuli, der mich fuhr, in seiner Schere. Als wir an-
kamen, Pakten die Damen ihre Körbe aus, und wir aßen Fleisch, Wurst,
Käse, Eier, Butterbrot, wir, die wir im Wagen gesessen hatten, aber die
den Wagen gezogen hatten, kochten sich eine Schüssel Reis und trabten
dann, neu gestärkt, den Weg wieder zurück, zwar magere, aber sehnige,
kräftige Gestalten. Schon damals dachte ich, wenn so ein Mann mit
seinen braunen, muskulösen Beinen vor mir herlief, daß so einer einen
guten Soldaten abgeben müsse. Es ist ja auch klar, daß ein so leicht sich
ernährender Mann sich trefflich zum Feldsoldaten eignet. Im Felde ist ja die
Ernährungsfrage so überaus wichtig. Auch der tapferste Soldat ist nur ein
halber Held, wenn er nur halb satt zu essen bekommen hat. Da der Japaner
mit Reis zufrieden ist, Reis und Tee, so hat es die Verpflegungsbehörde
leicht, ihn satt zu machen. Wie einfach ist anch der Reis zuzubereiten, wie
einfach zu essen! Ein Messer ist unnötig, eine Gabel ebenfalls. Zwei
dünne Holzstäbchen, ähnlich den hölzernen Wollstricknadeln, genügen. Es
muß freilich das Essen mit ihnen gelernt sein. Es ist zwar nicht so
schwer, wie man denken sollte, aber auch nicht so. einfach, wie es ans den
ersten Blick aussieht. Auch hier macht nur Übung den Meister. Wir
hatten acht japanische Seeoffiziere zur Ausbildung an Bord gehabt, daher
hatte uns der Mikado (Kaiser) zu einem feierlichen Essen eingeladen. Das
war damals eine große Seltenheit und hohe Auszeichnung. Wenn wir
aber von dem Reis uns mit Hilfe der Stäbchen hätten sättigen müssen,
dann wäre Schmalhans Küchenmeister gewesen. Ich erinnere mich noch
deutlich des halb unterdrückten, verwunderten Lächelns der Dienerinnen,
die nicht begreifen konnten, wie ungeschickt wir uns mit den Stäbchen
anstellten. Zum Glück hatte aber der Mikado ein Einsehen gehabt und
uns vorher ein glänzendes Essen nach europäischer Art anrichten lassen.
Das japanische kam nur der Wissenschaft wegen.
4. Sehr anspruchslos sind auch die Japaner in bezug auf die
Wohnung. Die Häuser sind meistens nur aus Holz und Papier; sie
brennen leicht ab, sind aber auch bald wieder aufgebaut. Eines Tages
brannte es in Tokio. Wie gewöhnlich brannten etliche tausend Häuser ab.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
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401
Das hätte ich gern gesehen. Aber in derselben Woche konnte ich nicht
abkommen, und als ich in der nächsten Woche hinaufkam, da waren die
Häuser schon sämtlich wieder aufgebaut. Besser gestellte Leute sollen sich
einfach stets ein neues Haus in voraus bereithalten, damit sie, wenn's
brennt, nicht lange obdachlos sind. Eigentlich genügt der ganzen Familie
ein Raum. Höchstens daß er durch Papierwäude etwas abgeteilt ist.
Tische, Stühle, Sofas, Betten, Schränke und dergleichen gibt's nicht. Man
arbeitet, ißt, schläft, plaudert auf den mattenbelegten Fußboden sitzend oder
liegend. Trotzdem es im Winter kalt ist, gibt es keine Ofen. Man zieht
sich einfach wärmer an und wärmt sich die Hände an einem Kessel mit
feurigen Kohlen, um dessen gesellige Wärme sich die Hausbewohner sammeln.
5. Auch an die Kleidung machen die Japaner keine großen An-
sprüche. Es ist freilich höchst bedauerlich, daß neuerdings die europäische
Tracht mehr und mehr in Aufnahme kommt. Aber die Mode ist überall
in der Welt eine beinahe unwiderstehliche Macht. Hoffentlich besinnen
sich die Japaner und bleiben bei ihrer kleidsamen Tracht, dem Kimono,
einer Art Schlafrock für Männer und Frauen, weit, bequem, malerisch,
über der Hüfte mit einem Gürtel zusammengehalten, der bei Männern
schmal, bei Frauen dagegen oft sehr breit und von kostbarster Seide ist.
Die Schuhe sind bei trockenem Wetter einfache Strohsandalen, bei Regen-
wetter kleine Brettchen mit Klötzchen darunter, so daß man trockenen
Fußes durch den tiefsten Schmutz gehen oder vielmehr tippeln kann, was
bei Frauen, wenn sie es hübsch machen, sehr anmutig aussehen kann.
Überhaupt zeichnen sich die Frauen durch niedliche, anmutige Bewegungen
aus. Wenn es also wahr ist, daß die Frauenschönheit hauptsächlich in
Anmut, Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit besieht, dann kann man die
japanischen Frauen mit. Fug und Recht schön nennen.
Besondere Sorgfalt verwenden sie aus die Haartracht. Die stellt
einen überaus künstlichen Bau dar, durch Einflechten von Pferdehaaren
in Gestalt und Schöne gebracht. Viele Stunden werden auf den Kopf-
putz verwandt. Daher kann er nicht jeden Tag neu hergestellt werden,
sondern muß mindestens eine Woche halten. Es dürfen also die so
Frisierten ihren Kopf zum Schlafen nicht bequem auf ein Kiffen legen;
sie haben nur eine Makura, ein Ding wie einen kleinen Kasten, der als
Stütze unter das Genick geschoben wird, so daß der ganze Kopf frei in
der Luft schwebt. Höchst unbequem; aber was legt sich der Mensch nicht
alles für Lasten auf der lieben Eitelkeit zuliebe. — Nichts geht dem
Japaner wie der Japanerin über die Reinlichkeit. Waschen und baden,
täglich einmal, auch mehrmal heiß, so heiß wie möglich baden, das gehört
ihnen zu den notwendigsten Lebensbedürfnissen.
6. In Japan gibt es kein kinderloses Haus. Bekommt eine Frau
keine Kinder, so kann sich der Mann von ihr scheiden und eine andere
Kappey u. Koch, Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. V. 26
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werden. Das ängstliche Gefühl des Neulings ist bald überwunden, und
schnell und sicher geht die Fahrt „bergetief" hinab. Aber haben wir unten
eine fürchterliche Finsternis erwartet, die nur von dem Lämpchen des
Bergmanns matt erhellt wird, so sind wir angenehm enttäuscht, denn
unten erstrahlt alles im elektrischen Licht. Auf breiten Hellen Gängen
laufen die kleinen Grubenwagen, die das Salz zur Förderstelle schaffen.
Von den Hauptgängen zweigen sich andere ab, und bald besindet man sich
in einem Gewirr von Salzstraßen. Zwischen ihnen hat man überall
Salzpfeiler stehen lassen, um die Decke zu stützen; ja die Behörde schreibt
jetzt vor, daß die Hohlräume wieder ausgefüllt werden, damit nicht Erd-
senkungen und Einstürze erfolgen, wie das in Staßfurt geschehen ist. Das
Lossprengen des Salzes geschieht durch Sprengpulver und Dynamit, mit
Hilfe der elektrisch betriebenen Bohrmaschinen. Die Elektrizität spielt im
Bergbau überhaupt eine große Rolle, da sie über Tage erzeugt wird und
sich überall leicht hinleiten läßt. In Salzdetfurth wird nur die Förderung
im Schacht mit Dampf betrieben. Sind die Salze losgesprengt, so regen
sich auch schon viele Hände, um sie in Grubenwagen zu füllen und an
den Schachtfüllort zu befördern.
7. Nun sind wir schon eine geraume Zeit unten in der Erde und
wundern uns im stillen, daß uns die Luft, in der doch Hunderte von
Menschen rührig arbeiten, gar nicht stickig und verdorben vorkommen will,
auch nicht so heiß ist, wie man erwarten sollte. Woher kommt das?
Denk' dir einen Mann, der eine lange Pfeife raucht! Jedesmal, wenn er
saugt, steigt der Rauch unten aus dem Pseisenkopf durch das Rohr in
den Mund; von außen aber dringt Luft in den Pseisenkopf, wie du leicht
sehen kannst, wenn die Pfeife angezündet wird. Ähnlich ist es im Kali-
schacht. Den hat man durch eine senkrechte, luftdichte Holzwand, den
„Wetterscheider", in zwei ungleiche Teile geteilt. Der kleinere Teil ist
das Pfeifenrohr. An demselben saugt oben jemand, versteht sich, kein
Mensch, sondern eine große Maschine, die jede Sekunde große Mengen
verdorbener Lust, die „schlechten Wetter", aus dem Bergwerk zieht.
Sofort dringen durch den größeren Teil des Schachtes die „frischen
Wetter" ein, und der Bergmann kann 700 m unter Tage in frischer
Waldluft arbeiten; denn der Ingenieur weiß auch unten im Werk die
Wetter so zu leiten, daß sie an alle Arbeitsstätten kommen. Sind zwei
Schächte vorhanden, so ist die künstliche Bewetterung noch leichter.
8. Nachdem alles besichtigt ist, steigen wir wieder in ein Förder-
korb, und aufwärts geht's, dem Sonnenlichte entgegen, das wir doch auf-
atmend begrüßen. Wir treten nun in den Schachtturm und folgen dem
Lauf der kleinen Grubenwagen, um zu seheu, was mit den geförderten
Salzen geschieht. Auf einer Kettenbahn laufen sie geradeswegs in den
oberen Stock einer vierstöckigen Rohsalzmühle. Hier wird das Salz ge-
Kappey u. Koch. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. V. 22
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